Mittwoch, 5. März 2014

Schreibkick #4: Winter


Hallo Leute, 
hier mein erster Beitrag zum Schreibkick #4 Winter. 

Winter

Der Asphalt schimmert im gelblichen Licht der Straßenlaternen, gesprenkelt mit Eis und Schnee. Die Lichtkegel wirken wie schwache Feuer,  von Wärme durchdrungen, doch können den Frost und die glänzenden Eispfützen nicht verdrängen.   Eine Leuchtreklame spiegelt sich in der Scheibe des Autos als es langsam aus dem Schatten des Hinterhofes zur Straße hin rollt. In dem Wagen schnallt sich der Fahrer gerade an, während die Frau aus ihrer Tasche eine Flasche holt und ein paar Schlucke nimmt. Der Mann ist jung, doch sein stoppeliges Kinn und die fahle Haut lassen ihn erschöpft wirken. Sein Anzug liegt faltig an seinem Körper und sein Hemd ist einen Knopf aufgeknöpft. Seine Haare sind verwuschelt, aber nicht ungepflegt. Sein Parfum kämpft erfolglos gegen den Geruch von Schweiß und Zigaretten an.
 Er blickt kurz zur Frau hinüber und sieht dort eine andere Person als Momente zuvor, so vollkommen verändert wirkt sie nun auf ihn. Die Frau die neben ihm sitzt wirkt wie eine traurige Kopie des Mädchens dass er auf der Straße angesprochen hatte und in seinen Wagen gestiegen war. Zuvor schien sie jung, mit einer Verspieltheit und Verlangen in ihren Augen. Er hatte gemeint sie wäre erfreut ihn zu sehen. Obwohl er es besser wusste hatte ihn dieser Eindruck glücklich gestimmt, es war ein angenehmer Gedanke gewesen. Jetzt sieht er im farbigen Licht der Neonreklame auf dem Sitz neben ihm ein Gesicht, das seine Falten trotz des Make-Ups nicht verbergen kann. Die Jugend war fort, das Lächeln nur eine verblasste Erinnerung. Auch der Rest ihres Körpers entspricht nicht dem des schlanken Mädchens das er Minuten zuvor mitgenommen hatte. Der Unterschied scheint ihm außerordentlich, unerklärbar. Konnte er vorher wirklich geglaubt haben dass Ihre Blicke ihm galten? Jetzt blickt sie kaum auf, den Blick auf das Armaturenbrett gerichtet. Sie wirkt weder glücklich noch unzufrieden sondern zeigt keine Regung. Sie ist einfach indifferent.
Ihre Gedanken sind wie Molasse und Luft zugleich, kaum zu greifen und doch zäh, ermüdend. Sie versucht einfach ihren Kopf auszuschalten, alles dem Autopiloten zu überlassen. Aber noch sitzt sie in dem Wagen. Sie greift in ihre Tasche, holt sich einen Kaugummi und schaut aus dem Fenster. Der Anblick der dunklen Häuser und Straßen mit Laternen die mehr Schatten als Licht spenden weckt ihre Sehnsucht nach dem Sommer, dem Licht und der Wärme die die Stadt verwandeln. Doch jetzt ist jenseits des Fensters nur die graue Stadt und die Kälte. Ein Schauer durchfährt ihren Körper und sie verschränkt ihre Arme. Der Gedanke an die Kälte legt sich über ihren Körper, konsumiert ihr Sein. Sie hatte sich bei der Arbeit an alles gewöhnen können, alles außer der Kälte. Sie ist überall dort draußen, doch sie kann sie auch hier  im  Wagen spüren. Sie kramt wieder in ihrer Tasche und nimmt einen Schluck aus ihrer Flasche. Der Motor heult auf und der Wagen beschleunigt. Der Mann bleibt auf dem Gas und rauscht an einer roten Ampel vorbei über eine Kreuzung. Sie kennt das, die Männer tun manchmal solche Dinge, rasen, reißen markige Sprüche, prügeln.
Der Wagen fährt in eine Bushaltestelle und kommt zum Stehen. Der Mann blickt zu ihr herüber. Sie öffnet die Tür, verabschiedet sich kurz. Die Kälte dringt in den Wagen. Auf dem Gehsteig läuft ein junges Paar vorbei. Geblendet vom Licht der Scheinwerfer gehen sie an dem Wagen vorbei.  Zwischen ihren dicken Jacken und Schals hindurch steigt ihr Atem in den Nachthimmel auf. Sie bemerken den Wagen kaum. Die Frau im Wagen schaut den beiden kurz nach, steigt aus und zündet sich eine Zigarette an. Der Mann im Wagen fährt los und flucht leise über die Kälte, die ihm in seine Knochen gefahren ist.